Brauchen manche Rassen eine harte Hand?! – Wieso das kompletter Quatsch ist

In meinen Start-Terminen mit vielen Ersthundehalter*innen oder manchen Rasseliebhaber*innen kommt mir leider immer wieder zu Ohren, dass bestimmte Rassen nicht „zu trainieren“ seien. Zumindest nicht mit Markertraining. Das bräuchte ich gar nicht erst zu versuchen. Die Rassen seien dafür bekannt, dass sie sehr stur, eigenwillig, selbstständig, dominant und was nicht noch alles seien.

 

„Dutzi Dutzi mit Klick funktioniert da nicht!
Die müssen wissen wer der Chef ist, sonst kann das bei so einem
großen/sturen/dominanten Hund in die Hose gehen!“

 

Ich finde es immer wieder schade, dass selbst viele Züchter*innen diese Fehlinformationen über die selbst gezüchtete Rasse an die Neu-Welpeneltern weitergeben. So mancher Hund hätte eine angenehmere Erziehung genossen, wenn dieser Irrglaube endlich aus der Welt zu schaffen wäre ?

Ich erkläre dann immer sehr gerne, dass bei allen Hunden der Inhalt gleich ist und sich nur die Verpackung unterscheidet.

Das ist wie bei uns Menschen: Die Anatomie ist grundsätzlich dieselbe, nur die Hautfarbe, Haarfarbe, Körpergröße usw. unterscheidet uns. Und natürlich wo wir aufgewachsen sind und wie wir erzogen wurden. Was wir in unserer Umgebung zum Überleben brauchen und können müssen, was unser Job ist und welche Hobbys wir haben.

 

Die Art und Weise wie wir lernen – die ist jedoch bei uns allen gleich!
Die Vorgänge im Gehirn sind identisch.

 

Da kann man wunderbar den Bogen wieder zum Thema Hund zurückschlagen, denn:
Auch die Anatomie der Hunde ist grundsätzlich gleich – lediglich Körperbau, Fellbeschaffenheit und evtl. rassebedingte Eigenschaften unterscheiden sie. D.h. wo sie herkommen, wofür sie gezüchtet wurden und vor allem WIE SIE ERZOGEN WURDEN ?

Daher ist es natürlich wichtig, dass Du Dich VOR Anschaffung eines Hundes mit der Thematik beschäftigst, welche Hunderasse zu Dir und Deinem Leben passt. Bist Du eher eine Couchpotato und möchtest nur zum Gassi raus, sollte es bestenfalls keine Hunderasse sein, die gerne und viel draußen aktiv ist. Damit fallen viele Rassen schon weg. Ihr tätet euch einfach nicht gut ?
Ähnlich ist es ja auch bei der Partnerwahl – Oft passen Nicht-Karnevalisten und Karnevalisten nicht so optimal zusammen ?

Bekommst Du gerne und viel Besuch, solltest Du vielleicht keine Hunderasse wählen, die aufgrund ihres eigentlichen Jobs gerne Türsteher spielt. Selbstverständlich kann man das alles bis zu gewissen Grenzen trainieren, hier steckt jedoch die Genetik den Rahmen des Möglichen. Ich fänd es sehr unfair, den Hund mit Härte „erziehen“ zu wollen, um sein komplettes Naturell zu ändern – weil er eben doch nicht zum Lifestyle passt. Dann lieber direkt im Vorfeld die passende Rasse wählen. Denn auch die „Türsteher“ können ein total glückliches und entspanntes Leben führen. Ganz ohne Härte – eben nur in einem anderen Umfeld und nicht bei Dir. Natürlich gibt es auch Hunde, die ihre Rassebeschreibung nicht gelesen haben und wenig rassetypische Verhaltensweisen und Interessen zeigen.

 

Wie funktioniert das also bei den „besonderen Rassen“ mit dem Lernen, wenn es keine Härte sein soll?!

 

Ganz einfach!

 

Als erstes setzt Du jetzt Deine „Rassebrille“ ab und schaust mal ohne auf Deinen Hund!

 

Jeder Hund (egal welcher Rasse) ist ein Individuum, mit individuellem Charakter und eigenen Interessen und Hobbys. Beobachte Deinen Hund mal eine Zeit. Was mag er gerne, was macht er besonders gerne? Was könnte er den lieben langen Tag machen, wenn er nur dürfte? Schnüffeln und Fährten verfolgen? Rennen und Haken schlagen? In der Gegend rumglotzen?

JA, viele Hunde würden auch gerne Rehe, Hasen und sonstiges hetzen – DAS geht natürlich nicht, ist aber dennoch eine wertvolle Information fürs Training für Dich ?

Jetzt hast Du Deinen Hund beobachtet, hast ihn näher kennengelernt, weißt für was er so brennt. SUPER! Jetzt weißt Du im Grunde auch schon, was für ihn als Belohnung fungieren kann!

Einige Beispiele, um Deine Phantasie anzuregen:

  • Dein Hund liebt die Begegnung mit Mensch und Hund?
    Super, dann geht es nach ruhigem Verhalten oder einem gut ausgeführten Signal, nach Deinem Markersignal zur Belohnung einfach ein Stück näher zum Objekt der Begierde ?
  • Dein Hund könnte den lieben langen Tag rennen und Kreise laufen?
    Naja, dann leine ihn doch nach einer tollen kurzen Trainingseinheit nach Deinem Markersignal als Belohnung ab. Vorausgesetzt natürlich, Dein Hund ist abrufbar und gefährdet sich und andere nicht. Ansonsten gibst Du ihm einfach die Schleppleinenlänge zur Verfügung ?
  • Dein Hund soll den Rückruf lernen und er würde am liebsten ein Reh hetzen?
    Als Belohnung kannst Du im Training, nach einem toll ausgeführten Rückruf (erstmal ohne Ablenkung natürlich ?) Hetzspiele bei Dir machen und somit die Energie und das Bedürfnis Deines Hundes abbauen bzw. umlenken. Finde einfach raus, was Dir und Deinem Hund da Spaß macht.
  • Dein Hund schnüffelt gerne stundenlang rum?
    Setze das Schnüffeln einfach unter Signal. Nach Deinem Markersignal kannst Du Deinen Hund damit dann als Belohnung zum Schnüffeln schicken.

 

Das sind nur einige Beispiele. Denn das Leben ist bunt und genauso bunt sind die vielfältigen Möglichkeiten Deinen Hund individuell zu belohnen.

 

Dafür musst Du eben nur die Bedürfnisse Deines Hundes gut kennen und im Training einsetzen.

 

Und wenn Dir noch einmal jemand sagt, Dein Hund bräuchte eine harte Hand, Führung und Konsequenzen für sein Verhalten – lächle einfach, denn:

 

Ganz unrecht hat diese Person ja nicht…

 

Auszug aus dem Duden:

Konsequenz = Klarheit, Folgerichtigkeit, Logik, Schlüssigkeit, Unbeirrbarkeit   

  • Das heißt also nicht Strenge und Härte! Sondern ein Verhalten Deines Hundes bekommt jedes Mal immer wieder die gleiche logische Antwort – und die braucht nicht unfair sein, sondern schlüssig ?
  • Wenn Du das Sitz übst, wird auch nur das belohnt – stehen und liegen halt nicht.
  • Wenn Du nicht angesprungen werden möchtest, gilt das für jetzt und alle Zeiten und ist nicht ab und zu mal ok (es sei denn, Du setzt es unter Signal und kannst es als Belohnung nutzen ?)
  • Damit Dein Hund das versteht, brauchst Du aber nicht unfair werden, laut und grob – bringe ihm bei, was Du statt des Anspringens super finden würdest. Das können einfach alle 4 Pfoten auf dem Boden sein oder ein Sitz oder sonst was. Übe das mit Deinem Hund.

Führung = verantwortliches Leiten, Lenken (Synonyme: Anführung, Aufsicht)

  • Führung hat nichts mit herrisch sein zu tun. Man lenkt den Schutzbefohlenen verantwortungsvoll, übernimmt die Aufsicht, geht als souveräner Anführer vorweg. Souverän ist nicht der lauteste Affe im Gehege ?
  • Ich kann auch eine Führung durch den Kölner Dom buchen. Ich erwarte dabei nicht, dass dieser Mensch mich durch den Dom schubst, mich anbrüllt, zuppelt oder sonst was macht. Dieser Mensch kennt sich dort super aus, leitet mich durch die Gänge, führt mich verantwortungsvoll, achtet darauf, dass ich mich nicht verletzte usw.
  • Führung bedeutet einfach nur verantwortungsvoll an die Hand bzw. Pfote zu nehmen. Sicherheit zu geben – das hat null mit Härte oder Strenge zutun. Nur mit Fürsorge und Erfahrung.

 

Nur die Härte aus den schauen Tipps – die kannst Du getrost streichen.

Ich glaube ohnehin, dass es viel mehr über den Menschen aussagt, der diese Sprüche zum besten gibt, als über Dich und Deinen Hund.

 

Letztens habe ich einen so lustigen, aber passenden Spruch gelesen:

„Brüllaffen schreien umso lauter, je kleiner ihre Hoden sind!
Wie ihr jetzt diese Information auf Menschen anwendet,
bleibt euch überlassen!“

 

Das lasse ich zum Schluss jetzt gern mal so stehen und wirken ?

 

 

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    Jessica Hein

    Jessica Hein

    Ausgebildete Tierverhaltensberaterin

     

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